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23 juillet 2011

Samstag Morgen

Zentraler Ort

 

Der Esstisch als Drehscheibe des familiären Geschehens, des Auf- und Abgehens, in verschiedene Richtungen, des Ausweichens von Fersenrutschschlurf auf Hosenbeinen den energisch entgegenkommenden Klappersohlen einerseits in weichem Plastik und andererseits in nachdrücklich anfersendem  Kork. Dann Sitzen im Bühnenzentrum, am Esstisch, vor Honig und Marmelade und Kipferl und Kuchen und dampfendem Kaffee. Die Zeitungen aufgeschlagen, das Kleinformat von hinten angeblättert, dann der ernsthaftere Versuch Großformat, Honig und den Morgen gleichzeitig zu bändigen

 

Dramatis Personea

 

Das Ich

Das Ich steht mit ausladender, vornübergebeugter Rückenpartie über dem Abwaschbecken in der angrenzenden Küche und schrubbt - monoton, geduldig, hin un her, her und hin - die Kruste von der Tortenform. Das ist die Arbeit des Ichs, das "Finish", denn Anderes kann es nicht, will es nicht können, braucht es nicht zu können. So einfach ist das.

Das Ich ist das Ich, weil in ihm nur Ich ist. Das Wir mit dem wohl miteingedachten Ihr, dem Sie, dem Zaungast et alii nur aus Ichperspektive und auktorial. Das Ich icht nicht still und leise, sondern aus dem Vollen seines Ichs. Entweder es icht, oder es nicht. Dann schrubbt es nur unter Seufzern. Wenn nicht ichen, dann lieber gar nicht. Dem Ich gehört der nachdrücklich anfersende  Korkschritt.

 

Das Ihr

Das Ihr schurrlt im gesamten Raum herum, macht dies, tut das, denkt an alle, vor allem an jene, die mit Honig und Großformat oder der Tortenform genug zu tun hätten. Das Ihr versteckt so sein Ich. Sein Ich ist hinter dem Ihr zurückgestellt, was aber auch alle wissen, denn manchmal bricht das Ich aus, zeigt die lange Nase, spielt Streiche, erzählt Geschichten, stellt aber auch Beine und härtere Fallen. Das Ihr ist insofern praktisch veranlagt, da es immer gut ist. Das Ihr suhlt sich in der selbstgewählten Opferrolle gegenüber dem Ich und den noch Nachfolgenden , gleichzeitig ein sich weise glaubendes Opfer, da die Rolle wohl selbst gewählt, aber nicht selbst so definiert wird. Der Ihr gehört der weich anfersende Plastikschritt.

 

Das Sie

Fersenrutschschlurf auf Hosenbeinen 1. Das Sie musste hinter einer ausgehängten Türe die Nacht verbringen. Dementsprechend gestalteten sich die Morgenstunden, im Dämmerschlaf begleitet von den gangauf-gangab, mit Besen gewappnet, Staubweben jagenden Plastikschuhen des Ihrs und der, je näher die Anfersung, desto voller die raumeinnehmende Stimme des Ichs, unabhängig von Uhrzeit und Schlafphasen anderer. Aus dem Dämmerschlaf erwacht, rettet sich das Sie ins Bühnenzentrum, an den Tisch, ans Kipferl, den Honig, die Zeitung. Das Sie macht auf Gähnkulisse. Das Sie am kleinbürgerlichen Morgentisch: jederzeit kann ein Tropfen Honig zu viel sein und die Stimmung kippen, aus morgendlich schläfriger Dämmerung wird explosive Apokalypse. Das Ihr und das Ich arbeiten beide daran. Das Ihr stellt Fragen, will wissen, das Ich im Ihr rüttelt an den Stäben und will erzählen. Das Ich will auch Dinge wissen, und nicht nur das, sondern bekräftigt, sichert zu, bietet an, kurz: icht sich auf. Explosion. Auseinandergestobe. Das Sie rettet sich zurück hinter den Halbschutz der ausgehängten Türe.

 

Der Zaungast

Fersenrutschschlurf auf Hosenbeinen 2, aber hinfällig, da schon im Sitzen. Der Zaungast sitzt schon des Längeren im Bühnenzentrum, denn die Stimme des Ichs ist schon vor langem in seinen Schlummerschlaf gedrungen und hat diesem ein Ende geetzt. Nun jongliert er zwischen Hochformat, Honig und Horchverweigerung. Der Zaungast ist drinnen und draußen. Der Zaungast ist präsent trotz der normalerweisigen Distanz, und nun nun ist er da, aber zumindest momentan da dort, auf der anderen Seite des Zaunes. Abgegrenzt, und doch mitten drin. Die Abkapslung ist eine innere Emigration. Springt das Sie auf die Barrikaden der Worte, verzieht sich der Zaungast ein paar Meter weiter hinter den Zaun zurück. Und trotz des Zauns ist der Zaungast näher als das Sie. Der Zaun ist nämlich einer ohne Stacheldraht, ein offener Zaun, einer, durch den sich der Zaungast und das Ich und Ihr Körner durchreichen . Auch wenn die Körner oft schal schmecken.

 

Schön ist das also am Samstag Morgen zu Hause beim Ich und Ihr, mit dem Sie und dem Zaungast. Eine Idylle, wo das Bächlein rauscht, die Flöte spielt und die Vöglein zwitschern..

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19 juin 2011

Sonntag Morgen Rhythmen

Heute Morgen hat uns Musik geweckt. Angenehmste Sonntag Vormittagsklänge, mal sanft, weich, beschaulich, mal maßvoll beschwingt energetisch. Und dann auch noch die Samtstimme dazu. Klar, das ist FIP, Frankreichs nettester Easy Listening Sender mit einem Repertoire von A bis Z. F ist leider auch vertreten mit Fahrstuhlmusik, aber das nur am Rande. Tja, die Musik war da, wir beide aber noch in der Waagrechten und mit Sandmännchenkörnern in den Augen. Unsere Nachbarn sind zum Leben erweckt und hören Radio, drehen richtig auf, für uns gleich mit. Nein. In unserem Wohnzimmer hat es sich ein Fremder bequem gemacht, musikbegeistert, also Radio aufgedreht, sich über die FIP-Einstellung gefreut, er hat sich in der Küche einen Kaffee gemacht, leise und diskret mitpfeifend, dann ist er wieder zurück ins Wohnzimmer, hat am Sofa Platz genommen, er trägt Jeans und ein weißes altes T-Shirt, wippt mit den nackten Zehen, kratzt sich am Bauch, sieht aus dem Fenster und nippt am noch heißen Kaffee. Auch nicht. Der Mann, den ich früher im Radio sitzen glaubte und ihn für seine unfassbare Komprimierfähigkeit bezüglich  Gliedmaßenverschränkung im kleinen Gerät bewunderte, hat Eigeninitiative entwickelt und mal selbst am Knopf gedreht? Oder er ist gar jener, der nun am Sofa sitzt? Die Revolution und Liberation der Radiomänner? Freiheit den Radiomännern? Nein? Nein. Alles nicht. Denn die Nachbarn sind still und inexistent wie eh und je und das Sofa leer.

In Wirklichkeit ist Mika musikalisch. Sie hat den nicht umschweren Schalter der Mehrfach-Steckdose umgeklappt und auf den Radioknopf gedrückt. Wie, das hat sie uns bis jetzt nicht verraten. Ein paar Minuten nach diesem wundersamen Kraft- und Köpfchenakt begann die Discostunde. Wir hörten das Gehopse, Getingel und Geschebber, wenns zu wild wurde und Michael Mika Jackson in die Tür schlitterte. In unsere Kopfpölster kichernd dachten wir an sie, ausgestattet mit Baseballkappe und Rapperketten oder doch (schließlich ist Sonntag) Samthandschuhen und High heels und Schleifchen im Fell, vielleicht hatte sie sich richtig schick gemacht, den Hofkaterfreund Zach im Zylinder eingeladen und jetzt legten sie gerade eine Swing Nummer aufs Parkett.

Da war uns wohl die Phantasie durchgegangen. Denn Zach war genauso Phantasie wie der Mann am Sofa. Realität rockende Mika.

Mal sehen, wie das weitergeht. Vielleicht macht sie uns morgen Früh Orangensaft.

6 février 2011

MIKA

Dass Mika Mika heißt, ist eigentlich Zufall, geprägt von unserem Autofahrstress mit der noch gestressteren, verzweifelt aus ihrem Katzenkäfig tatzelnden und herzzerreißend weinenden Katze auf dem Schoß, die sich W aus den 240 dich mit großen Bitte-Augen ansehenden Katzentieren im Tierheim ausgesucht hatte. EIne Bankbekanntschaft war das: es setzt sich ein W auf die Bank im Katzengehege und bleibt nicht allein.

Zurück zur Autofahrt: Eines war klar: EDEN geht gar nicht. auf der Suche nach Eden-Nähe kam  Edda - zu sehr Saga - und Eddie - zu sehr Vedder und desperate housewives Vamp (Edie). Emma wollte uns leider gerade nicht einfallen. Da sagte W plötzlich :MIKA. Und so wars eben Mika. Daraus ist manchmal MIK geworden, manchmal MIKKI, manchmal Mikaela Popowski.
Und all das ist gar nicht so schlecht, denn da wir nun den Stubentiger nach knapp einmonatigem Zusammenleben ein bisschen kennengelernt haben und sie sich ihrerseits nach ein paar Tagen Streichelkonsolidierung der aaaarmen Tierheimkatze und ein paar weiteren Tagen power napping zur "das Leben ist spielen,also get up and entertain me" Einstellung, ihr Territorium, auf dem wir netterweise auch noch wohnen dürfen, angeeignet hat, sind wir der Meinung, dass Mika nicht nur Mika heißt, sondern auch Mika ist.
Erinnern tut ihr Name an zwei besonders berühmt-geschätzte Persönlichkeiten, nämlich einerseits MIka Hakkinen, wenn der Wohnungsflur zu ihrer Rennstrecke und die Türen auf jeder Seite der Boxenstop sind. Nur das Bremsen muss noch ein wenig geübt werden.
Ein bisschen etwas hat sie auch von Mitch - Ich kann alles-Hero, auch aus der Abwasch, direkt vom Wasserhahn und sogar aus der Gießkanne trinken oder wilde Rolleskapaden im roten Teppich vollführen.
Sitzend oder zusammengerollt erinnert sie an eine Miyazaki-Zeichnung. Da nennen wir sie dann Mika-san. Und fast könnte man sie in den Chinarestaurants zu den Glückskatzen setzen, nur das Winke-Winke müsste man ihr beibringen, was nicht so schwer sein dürfte, nachdem  YMCA-Tanzen vor der Fensterscheibe bereits Hobbie ist.

 
Spiegelkatze_web

Spiegelmika

Salatkatze_klein

Salatmika

M_usekatze_web

Mikamaus

5 janvier 2011

2011 und seine MASCARADE MAUSSADE

gefangen im Nantaiser Winter

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der ist nämlich so ...

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und so...

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... für alle, die es nicht wissen oder es sich im Berliner Flockentreiben mit einem eisweißen Kopfball aus dem Erinnern geschneeballschlachtet haben ...

....tropf, tropf, tropf, tropf....

da bleibt nur...

...sich mit den Eiermännern unterhalten und das Kletzenbrot ein bisserl dicker mit Butter beschmieren...
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...Top fun Strudel backen...

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...bis zum Katorza gummistiefeln und sich "Another Year" von Mike Leigh reinziehen, sozusagen als postweihnachtliche Katharsis

...und sich mit Sven Regeners "Neue Vahr Süd" unter die Bettdecke verkrümeln....

6 novembre 2010

Rotkäppchen und die drei Riesen

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6 novembre 2010

Laufgeschichte. Für Paul Austers Red Notebook.

mura600

Heute Früh beim Lauf durch den Blätterteppich erzählt mir L: An einem Morgen - "Morgen" bedeutet bei L. relativ früh (wir gehen ja auch am Samstag um 9 Uhr laufen, aber das sei hier nur am Rande vermerkt...) - sie Itchy feet-Syndrom, er dagegen noch tief schlafend im Bett. Anfangs hatte sie versucht, neben ihm zu lesen, zusammengekauert im Lehnstuhl am Fenster neben dem Bettende. In Mäuschenmanier. Aber neben dem Mäuschen schnarchte der Käse. Konzentrieren ging so nicht. Dabei lag es so schön in der Hand, das Buch von Haruki. Sie drehte es in ihren Händen, befühlte es, fuhr mit den Fingern dem gestanzten Schriftzug auf dem Buchumschlag nach. Sie schlug das Buch aber nicht auf. Sie kam nicht über den Namen des Autors hinaus, dessen Buchstaben sie unter ihren Fingern fühlte, der sich in ihrem Kopf in der Warteschleife eingefahren hatte. Haruki Murakami. Imakarum Ikurah klänge ebenso gut, befand sie, die Finger nun rückwärts laufen lassend.  Als ich nachfrage, wie das Buch denn geheißen habe, meint sie, sie habe den Titel des Romans mittlerweile vergessen, ebenso wie sie sich nicht mehr entsinne, worum es in dem Buch gegangen ist. Bestimmt wars eine seltsame Geschichte. Aber damals war ja alles mit ihm noch so frisch, so aufregend und einnehmend gewesen, das heißt, wirklich beschäftigt hatte sie ihre eigene Geschichte, und nicht die Lektüre eher willkürlich gegriffener Bücher, die die Schmetterlinge im Bauch ein wenig ablenken sollten. Mit diesem Buch sei es aber trotzdem anders gewesen. Titel weg, Inhalt weg, aber das Gefühl auf den ersten paar Seiten spüre sie noch heute. Ich unterbreche sie nicht mehr.
Nachdem er nicht im Begriff schien aufzuwachen, zog L. sich nachlässig, leise an. Schlüpfte in die Jeans, streifte einen Pulli über, nahm ihre Tasche, warf Haruki hinein und verließ die Wohnung. Am Vorabend hatte sie unweit ein gemütlich aussehendes Café mit ausladenden Großmütter-Lehnstühlen bemerkt, und der Gedanke an die billigen Teebeutel in der winzigen Küche eines Morgenkakaotrinkers, extra für sie gekauft, wie er ihr am Vorabend zärtlich geflüstert hatte, hatte ihr sowieso nicht sonderlich Lust gemacht. Schnellen Schrittes dirigierte sie sich durch die zur Arbeit steuernde Morgenmenge, durch die Anzugtypen und die Kinder auf dem Weg zur Schule, zum Kindergarten, zum Babysitter.
Das Café hatte bereits offen, Laufkundschaft ging aus und ein, in einer Ecke hinter der Fensterscheibe war ein kleiner runder Tisch frei. L. bestellte am Tresen Tee und ließ sich nieder. Sie beobachtete die aus- und eingehenden Menschen: Wer nimmt einen schnellen Kaffee am Tresen, wer frönt der Kaffeekultur auf der Straße im Pappbecher. Schließlich brachte ihr der Kellner ihren Tee. Sie goß sich eine heiß dampfende Tasse ein, bevor sie Haruki aus ihrer Tasche nahm. Sie schlug das Buch auf, ohne wieder in die Ikurah-Falle zu tappen. Sie begann zu lesen, vor ihren Augen tanzten sich die Buchstaben in ihren Kopf, bildeten Figuren und Bilder. L. machte Bekanntschaft mit Harukis Protagonistin, einer jungen Frau. Mittelgroß, schlank, von zierlicher, fast filigraner Gestalt. Das Haar dunkel, glatt, das längliche Gesicht umrahmend. Die Augen von heller Klarheit. Wenn sie lächelte, veränderte sich die Form des Gesichts, rundete sich, wurde weicher. Sie lächelte oft, aber wenn sie zuhörte oder las, nahm ihr Mine eine konzentrierte Strenge an. Sie trug einen Pulli, der auch schon einmal bessere Tage erlebt hatte. Farbe Lila. Sie mochte ihren Pulli so sehr, dass sie ihn jeden Samstag wusch, um sich so nur sonntags von ihm trennen zu müssen, während er auf der Wäscheleine trocknete. Die Jeansbeine der jungen Frau fielen auf knallgelbe Turnschuhe, die sie sich erst am Tag davor gekauft gehabt hatte. Ein Impulskauf, wie sie ihr nicht oft passierten, aber sie hatte sich von der kräftigen Farbe der Schuhe in den Bann ziehen lassen. Die Morgenstunden verbrachte sie am liebsten in Kaffeehäusern, Tassen heißdampfenden Tees schlürfend, denn nur dort konnte sie sich auf das Lesen konzentrieren.

Ls Augen hatten sich beim Lesen geweitet. Nun hielt sie inne, blickte verwirrt auf und in das spiegelnde Fenster des Cafés, wo sie ihren Blick traf. Die dunklen Haare glatt ihr längliches Gesicht umrahmend. Ihre hellen, klaren Augen ungläubig blitzend. Sie versuchte versuchsweise zu lächeln und sah ihrem Gesicht beim Weiterwerden zu, befühlte mit der Hand, wie sich die Position der hochangesetzten Backenknochen veränderte. Sie sah an sich herunter und zupfte einen der unzähligen Fuseln von ihrem lila Pulli. Lila. The Color Purple. Tony Morrisson. Ob T.M. schon wach war? Morgen, Samstag, würde sie ihn waschen müssen, also den Pulli, und bald wohl auch einmal nach Ersatz suchen müssen, es half alles nichts. L. sah auf ihre Schuhe. Sie trug ihre ausgetretenen Lederschuhe mit der löchrigen Sohle und dachte an die Schuhe zurück, die sie am Vortag in einer Vitrine angelacht hatten. Knallgelbe Sneakers waren das gewesen, und wäre es nicht Monatsende, dann hätte sie sie wohl gekauft.
L. blickte zurück auf ihr Buch, las aber nicht weiter, sondern sah sich verstohlen im Café um. Es war nun ruhiger geworden, an einem Tisch verschwnd ein Herr hinter einer großen aufgeklappten Zeitung. An einem anderen eine Dame mit einem kleinen Hund. Die zwei Kellner hinter dem Tresen unterhielten sich, während sie Kuchenstücke in die Vitrine schlichteten. Niemand nahm Kenntnis von ihr. Was hätte sie sich auch erwartet? Dass Haruki selbst, als Ikurah verkleidet, in einer Ecke sitzt und sie abwartend beobachtet und ihr grinsend zuwinkt, wenn sich ihre Blicke treffen? 
Zögernd-gespannt senkte L. ihre Augen wieder auf das Buch, bereit weiterzulesen. Da überkam sie ein anderer Impuls. Sie griff nach ihrer Tasche, kramte ihre Geldbörse hervor und vergewisserte sich des Inhalts. Wirklich leisten konnte sie sich die Schuhe ja nicht. 10 Euro fehlten ihr genau. Am Nebentisch stand ein Zuckerstreuer, aber auch gebrauchtes Geschirr. War ihr davor gar nicht aufgefallen. Eine Kaffeetasse auf einer Untertasse. Dazwischen war ein 10 Euro-Schein geklemmt.

5 octobre 2010

Schottland-Schluckauf

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Lord William and Lady Krista went to Scotland. Und das war so...

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Regen: wurscht. Wind: wurscht. kalt: wurscht. Deshalb.

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Wohnen


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Nachbarn


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Und wer sagte, UK-food sei schlecht?


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Lebkuchen, du bist gebenedeit unter den Muttis!




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Als die Lebkuchen aus waren, gabs Flüssiges



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Hi, I am Midge. These are my 10000 friends. Mind if we join you at your Lagerfeuerromantik?



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nicht umsonst zerstochen und zerfressen


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Warum nicht alt werden in Schottland?


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Stairway to Heaven


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Grenzen verschwimmen



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Kulturschock des Pandabarts (Stichwort fringe)



2010_08_01___Ecosse_190

Lost



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and found



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Bei Nebenwirkungen lesen Sie bitte die Packungsbeilage und konsultieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

13 septembre 2010

jours de fête


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Highlights des diesjährigen Jours de Fête festivals in St. Herblain waren nicht "les gros trucs", "Feloche", "La caravane passe" oder "Les Ogres". Highlights waren die petites découvertes: der Bal um Mitternacht am Samstag, der die Wiese zum Spiegelsaal und das Leben schön machte. Und Blanche Neige am Sonntag, würdiger Wochenendausklang.

Schneewittchen wurde erzählt und gespielt. Der Blumentopf war der Wald, es schneite eine Handvoll Wattebällchen, und dann kam auch schon das Luftballonschneewittchenbaby zur Welt. Der Theatervorhang kleidete die Königin, die Frisörin und die Apfelfrau ein. Die Erzählerin "Janine", Meisterin des V-Effekts, managte ihre szenische Erzählung mit Bravour und Energie, die sich direkt aus ihren roten Hacken, mit denen sie über die Wiese sprang, hochzubeamen schien, und so wurde aus sämtlichen Unvorhersehbarkeiten die Würze dieses Straßen- oder eigentlich Wiesentheaters: der Spiegel, dem die Spiegelverkehrtheit zu schaffen machte, der griesgrämige Zwerg, der von Lachkrämpfen geschüttelt wurde, die wunderbare Punkprinzessin Sidonie alias "Blanche Neige", die hintrücks mit dem kleinen Plastiksesselchen in die Wiese köpfelte und der mutige Zwergenanwärter, der schon vor Janine auf der Wiese stand, als Schneewittchen noch gar nicht totgeglaubt war. Blanche Neige! Eh oui!

13 septembre 2010

Später Nachruf

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23.August. Christoph Schlingensief ist tot.

E. Jelinek sagt, mit seinem Tod sterbe das Leben selbst. Ungläubig und unglaublich traurig betrachte ich die Fotos von ihm, ihm, dem man – trotz der Zeichnung der Krankheit in den letzten Jahren - die 49 nicht angesehen hatte. Und den Tod schon gar nicht. Tod passt nicht zu einem, der einen an einen kleinen Buben erinnert, an einen Peter Pan, der macht und zeigt, so offen und offenherzig und beherzt. Der seinem Leben mit Feuereifer, Elan und vor allem beinahe naiver, begeisterter Freude nachgegangen zu sein scheint. Der eine Idee hatte, die ihn begeisterte, die er für wichtig hielt - und sie umsetzte. Ohne vielleicht und eventuell. Ohne Wenn und Aber. Ohne erwachsene Kopfzermarterei und Zweifelei. So viel positive Energie, die sich der Tod da vom Leben geholt hat.

Da bemerke ich, dass die Aussage, unlängst getätigt, keine Angst vor dem Tod zu haben, so natürlich nicht stimmt. Man glaubt sie nicht zu haben, wenn der Tod kommt, so wie man ihn erwartet, der vorbeischaut am Lebensabend, sich gähnend an den Tisch setzt um einen zu sagen, dass es schon spät sei. Und eigentlich hat man selber schon manchmal verstohlen auf die Uhr geschaut und gestaunt, wie spät es schon ist, und man gähnt nun auch und ist schon ganz schön müde und die Augen brennen.

Aber nun hat sich der Tod in der Zeit geirrt, konnte nicht schlafen, der alte Sack, und geisterte gnadenlos und unbarmherzig in Häusern umher, wo er gar nicht hingehörte. Dem Christoph Schlingensief war er ein unzeitgemäßer Besucher. Christoph Schlingensief hatte ihn ganz sicher nicht eingeladen. Er aber, parasitär, schleimig-schmeichelnd sich anschleichend, sich dann zurückziehend um aus den Hinterhalt wiederzukommen und sich nicht mehr abwimmeln zu lassen. Er ließ sie sich nicht nehmen und aufkündigen, diese einseitige Freundschaft, wurde zur  modrig-knickrigen Krücke, indiskret, taktlos, gnadenlos,  heftete sich immer anhabiger an Christoph und saugte ihn schließlich aus. Das macht Angst.

12 septembre 2010

Abend in Graz

17.Juli. Abend in Graz. klebrigheißer Körper und Kopf, der nun tropft. Honigtopf. Süß. Zuviel davon pickig, gar schmerzhaft.

Heute war Zeitreise. Zuerst war alles wie früher. In der Ragnitz, bei den Pferden und den Hunden und dem Tennisplatz. Einiges verändert sich nicht. Ks Lachen. Gegrillter Polenta und Obstkuchen. Die Sanftheit in Js Blick. Ls Locken. Einiges bleibt und einige bleiben. Und machen weiter. Die Kinder sind größer, laufen, lesen, sind gar schon verliebt. Kein Luis mehr, der auf meinem Schoß oder zumindest meinen Zehen sitzen will, sondern eine hellbraune Hündin.  In A.s einst gestochenes Hochdeutsch hat sich eine gehörige Portion breiten Grazer Slangs mehr als früher reingeschummelt. Die Pferde aber haben altersweiße Flecken im Fell, das Stüberl  ist Ablagefläche für Sägespäne, der Teekocher verschwunden und die Sättel verstauben in der Sattelkammer.

Da beginnt die Distanz.

Was bleibt, sind die Geschichten. Heile Welt-Kindheitsgeschichten vom Westerntoni, vom Gustav in der Küche und vom Kukurutzklauen am Feld nebenan. Dort ist jetzt ein Golfplatz. Wo aber niemand spielt. Der Platzwart schläft in der Sonne an seinem Wackeltischlein unter dem Sonnenschirm.

Späte vertreiben uns die Gelsen. 

Ich schwinge mich auf das Fahrrad meiner Mutter, im Vergleich zum steten, leisen aber fiesen Anstieg beim Rausfahren rolle ich nun wie von selbst stadteinwärts. Mit mir rollen die Erinnerungen, manchmal bleiben sie stehen und zeigen auf ein Haus, auf eine Ecke, eine Abzweigung. Manchmal bleiben sie auch zurück um auf der Wiese Purzelbäume zu schlagen. Dann holen sie mich wieder ein. Sie laufen voraus und flüstern mir ein, unmöglich gleich nach Hause, „nach Hause“, jetzt. Geht nicht.

Also lasse ich das Fahrrad laufen, parallel zum Plätschern des Ragnitzbaches, jede Ecke vertraut wie ein alter Freund, doch ist man überrascht, ihn zu sehen. An der Wohnung in der Merangasse vorbei, an der Uni vorbei. Bis in die Stadt. Lauer lauschiger Abend.

Den ersten Halt mache ich im Stadtpark. Bunte Lichter und angeregte Stimmen unter den Baumkronen des Parkhouse. Der Springbrunnen unterplätschert ein Ska-Konzert, Menschen entspannt auf der Wiese oder tanzend vor der improvisierten Pavillonbühne.

Weiter flaniere ich zum Karmeliterplatz und hinunter durch die Sporgasse. Reges Treiben im Innenhof des spanischen Lokals. Nur ohne den damaligen Inhaber. Der Eisstand der Konditorei am Hauptplatz hat sein Dach schon heruntergeklappt, statt Topfen mit rumgetränkten Rosinen gönne ich mir also eine Riesenschaufel Eis beim Anbieter der Konkurrenz. Wo wohl die Vase herumsteht, Geschenk  eines Obdachlosen beim abendlichen Eiszusammenkratzen- und schlecken und Andenken an juvenile Sommer- und Ferienjobs.

Freiluftkino am Franziskanerplatz. Über die Mur. Letzte pickengebliebene Gäste vor dem Tribeka. Auch nichts geändert scheint sich beim Centraal und beim Running Horse zu haben. Bei zweiterem luge ich durch die Fensterscheibe. Als ich sehe, dass ein mir völlig unbekanntes Gesicht und nicht M. hinter der Theke steht, bin ich beinahe enttäuscht. Der Typ hinter der Theke grinst mir zu, ich wende mich verwirrt ab und radle weiter.

Bestaune die bunte Auslage des tag.werk - Ladens und lese über deren Aktionen und Kooperationen. Eine Runde über den Lendplatz, zur Dreihackenschule, zur Mediathek und dem Integrationszentrum isop. Süße Melancholie weg zu sein schleicht sich kurz ein.

Durch die Schmidgasse zum ewig gelb-grell-grölenden Jakominiplatz. Die Jakoministraße ist nach wie vor als Einbahn gekennzeichnet, was nach wie vor zu ignorieren ist. Wie sonst soll man die so called Problemstraße aus ihrer Sackgassigkeit befreien? An den bekannten Konsumflächen haben sich gehalten der Teeladen, das Chinarestaurant und , legendär, chez heli. Waren da nicht früher Gänsefüßchen dran? Beruhigt stelle ich fest, dass auch das winzige Geschäft des Ägypters, rammelvoll und sich auf die Straße ausdehnend durch intensiv-betörende Gerüche und die nimmermüden Komplimente des schnauzbärtigen Ladeninhabers an jede vorbeieilende, in der Hoffnung, er könnte sie verpassen, Frau, sie habe die schönsten Augen der Jakoministraße.

An der Ecke der CvH sehe ich zur alten WG hoch, Licht, die Fenster offen. Wer hier nun wohl wohnt? Unter Lebensgefahr manövriere ich das Fahrrad auf die Verkehrsinsel. Die Autos nehmen die Kurve vor dem Haus immer noch gleich schwung- und geräuschvoll. Die Rollläden unserer ehemaligen Vermieter, deren Namen ich bis heute noch nicht schreiben kann, wie immer mysteriös heruntergezogen und schäbiger denn je. Das KIZ musste dem langjährigen Kampf mit der Stadt um das schöne Augartenkinohaus aufgeben und ist in das ehemalige englische Kino Royal gezogen worden. Ich sehe den Inhaber Herrn Grigoriadis etwas verloren wirkend auf der Straße vor dem Eingang stehen, so als ob er selbst noch nicht überzeugt wäre, nun hierher zu gehören.

Durch die Straßen um den Ortweinplatz vorbei an der Wohnung der Familie M., deren Tochter H. ich Nachhilfe erteilte. Erinnerungsblitz an die seltsame Begegnung mit Hs Vater an dem Tag, als Frau M. nicht zu Hause war. Durch die Steyrergasse, die Plakette von Dr. Maitz, der Tierarzt, der Frau Muck eingeschläfert hat. In der St. Peter Hauptstraße der Installateurladen, mir fällt ein, dass wir dort wohl nie die uns seltsamerweise geborgte Flasche Abflussreiniger zurückgebracht oder bezahlt haben.

Ich komme im Innenhof der Terrassenhaussiedlung an, menschenleer und still liegt sie da. Nur ein Igel kreuzt erschrocken meinen Weg und sagt mir dann doch Gute Nacht.

Schön fand ichs an diesem Abend. Da konnte der öbb-Mann im nachmittäglichen Zug sein „Grrraaaz“ noch so sehr durch die Abgründe seines Artikulationsapparates jagen und schließlich ausspucken um die pathologisch-modrige Ätzung der Stadt zu verdeutlichen.

An diesem Abend klang Graz ganz anders.

 

 

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